Musik verbindet Menschen über Grenzen hinaus
Silke Hartenstein 14.08.2024 – 13:59 Uhr
24 der 96 Lehrkräfte an der Musikschule Markgräflerland stammen aus 14 Nationen wie Italien, Polen, den Niederlanden, der Türkei, Kanada, Kasachstan und Kuba.
„Wir könnten unseren Bildungsauftrag nicht erledigen ohne diese Fachkräfte“, sagt Musikschulleiter Fabian Grabert. Zu den internationalen Lehrkräften gehören auch drei Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind: Tetiana Bandurchenko, Lehrkraft für Klavier, FSJ-lerin Anastasiia Kononenko und Oleksii Portenko, Lehrkraft für Posaune.
Konzertmeister in Kiew
Das Verbindende der Musik zeigt sich im Gespräch unserer Zeitung mit Oleksii Portenko. Der 42-jährige Ukrainer war 13 Jahre lang Konzertmeister und Erster Posaunist am Taras Shevchenko National Oper und Ballett Theater in Kiew.
Außerdem wohnte und unterrichtete er an der staatlichen Musikschule in Butscha – der Vorort von Kiew wurde 2022 bekannt als Ort des „Massakers von Butscha“, begangen an hunderten von Zivilisten durch Angehörige der russischen Kriegspartei.
Portenkos Ehefrau und die beiden Söhne konnten bereits im April 2022 nach Deutschland fliehen. Vier Monate später folgte Portenko ihnen nach. Sein Diplom der Nationalen Musikakademie in Kiew nahm er mit, seine Posaune überführte ein befreundeter Musiker nach Basel. Über die Musik fand die Familie eine Wohnung in Bad Krozingen, denn durch die vormaligen Auftritte des Brass-Quintetts der Akademie in Kiew zwischen Lörrach und Offenburg waren Kontakte und Beziehungen geknüpft worden. Ein Ensemble wie das Brass-Quintett hierzulande zu organisieren, ist heute ein Ziel des Posaunisten.
Zügig erlernte das Ehepaar die deutsche Sprache, sodann arbeitete Portenko als Fahrer in der Lebensmittelbranche. „Das war nicht meine Welt“, sagt er im nachhinein. Heute ist er Posaunist im Musikverein Schlatt und seit April 2024 Dirigent des Musikvereins Grißheim.
Dirigent in Grißheim
Im Rahmen einer Instrumentenvorstellung des Musikvereins Grißheim kam es dann zum Kontakt zur Musikschulleitung. Dort bewarb sich Portenko und wurde im April als Vertretung für einen erkrankten Musikschullehrer eingestellt. Nun pendelt er fünf Tage in der Woche nach Schliengen, Bad Bellingen, Egringen und Eimeldingen, gibt Kindern und Jugendlichen Einzelunterricht, unterrichtet Ensembles und eine Bläserklasse in Eimeldingen. Im kommenden Semester, sagt Portenko, werde er eine Bläserklasse an der Neuenburger Rheinschule aqm Grundschulstandort Grißheim unterrichten.
Zwischen dem vormaligen Alltag in der Ukraine und dem in Deutschland gebe es viele Unterschiede, findet er. Das gelte auch für die staatlichen Musikschulen in der Ukraine und die Musikschule im Markgräflerland. In der Ukraine würden die Musikschüler ausgewählt. Dort gehörten zum Gratis-Unterricht an fünf Nachmittagen pro Woche Musik in Theorie und Praxis, drei Prüfungen pro Jahr und ein sehr leistungsorientiertes Arbeiten.
In Deutschland habe er sich anfangs schon mal gewundert: „Für mich war das überraschend, wenn Kinder ihre Musik-Hausaufgaben nicht gemacht haben. In Deutschland ist es eher Spaß als Lernen.“ Doch habe er an der hiesigen Musikschule etliche fleißige, motivierte Schüler: „Ich habe Freude daran, wenn die Kinder immer besser werden“. Gut findet er, dass hier Musikschüler anfangs auch Instrumente ausleihen könnten und dass es – anders als in der Ukraine – in nahezu jedem Ort einen Musikverein gibt: „Das ist super“.